Das Kind in meinem Bauch
- Silke Kristin Juelich
- 14. Feb. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Jan. 2023
Regelmäßig teile ich einen kleinen Ausschnitt meines Buches DIE STÄRKE IN MIR, das 2023 erscheinen wird.

Die meiste Zeit über liege ich auf dem Sofa im Wohnzimmer, die Augen halb geschlossen. Ich fühle Verzweiflung. Sie umschließt mich wie ein Kokon. Wenn ich die Augen öffne, werde ich durch diese Hülle nicht atmen können. Also spähe ich nur durch meine Wimpern stetig auf den gleichen Punkt an der Wand.
Meine Mutter kommt einmal am Tag zu mir und redet mit meinem Bauch. Sie sagt, das Kind kann die Stimmen bereits unterscheiden und fühlt sich geborgen, wenn man mit ihm spricht.
Während sie also mit meinem Bauch redet, beobachte ich sie durch meine halbgeschlossenen Augen. Irgendwo ganz hinten in meinen Gedanken weiß ich, dass sie recht hat.

Ich wäre gerne nicht mehr in meinem Körper. So schwer mir die Schwangerschaft bisher erscheint, die letzten Tage sind verändert. Die Erschöpfung ist einer Teilnahmslosigkeit gewichen. Mein Gehirn formt Gedanken, die sich wieder auflösen, bevor sie geschaffen wurden.
Ich hatte mir meine Schwangerschaft anders vorgestellt, viel leichter, und dass ich mich glücklicher und zufriedener fühle. Ich hatte diesen irren Gedanken, dass ich mit einem Kind im Bauch ausnahmslos bei mir sein könne. Geerdet und gleichzeitig mit einer Art Hochgefühl, das mein Inneres berühren würde - und ich so vollkommen im Hier und Jetzt ankäme.
Stattdessen liege ich auf diesem Sofa in meinem Wohnzimmer und schaue auf meinen Bauch, als gehöre dieser nicht zu mir. Ich berühre mit meinen Händen die straffe Haut, die mein Kind umfängt, und ich sehe aus wie jede andere Schwangere. Nur fühle ich keine Freude. Ich spüre lediglich meine Müdigkeit und das ständige Aufbegehren meines Magens. In den ersten Monaten ist mir bereits, bevor ich morgens die Augen aufschlagen kann, so schlecht, dass ich mir wünsche, ich könne mich übergeben. Aber der Brechreiz bleibt aus. Nur die Gerüche von Shampoo oder Duschgel lassen mich würgen.
Ich bin oft bei meinen Eltern unten. Wenn nach dem Frühstück diese Gerüche von Duschschaum mit der warmen Luft aus dem Badezimmer durch die Wohnung ziehen, renne ich zur Terrassen - oder Balkontür und versuche mit tiefen Atemzügen den Brechreiz zu unterdrücken, der mir die Tränen in die Augen treibt und den Schweiß meinen Rücken herunterlaufen lässt.
"Verdammt! Ist das ekelig." Ich hasse diese Momente. Diese Schwäche, die ich empfinde.
Wo bin ich bloß geblieben? Mein Wesen, meine Person? Mein Körper bewegt und ändert sich ohne mein Zutun oder meinen Willen. Ich habe diese Hilflosigkeit satt. Ich bin nur noch Beifahrer in meinem eigenen Leben, verdammt dazu, alles geschehen zu lassen und nicht eingreifen zu können. Ich verabscheue selbst die beruhigenden Worte meiner Frauenärztin, die sich liebevoll um mich kümmert. Und ich hasse mich dafür, dass ich nicht glücklich bin.
Comments